Joachim Lütkemann, geboren 1608 im pommerschen Demmin, studierte in Straßburg und Rostock. Dort wurde er 1639 zum Diakon an der Jakobikirche gewählt. Ab 1643 war er an der Universität als Professor der Physik und Metaphysik tätig, 1648 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. 1649 musste er Mecklenburg nach einem längeren Verfahren verlassen, weil er in Disputationsthesen behauptet hatte, Christus sei in den drei Tagen seines Todes kein wahrer Mensch geblieben, was den heftigen Widerspruch des Professoris primarii Johannes Cothmann hervorrief. Noch während der Konflikt in Rostock ausgetragen wurde, hatte er allerdings schon den Ruf ins Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel erhalten, wo er die Ämter des Generalissimus-Superintendenten und des Oberhofpredigers bei Herzog August d. J. antrat. Wesentliches leistete er für den Wiederaufbau der Kirche in diesem Herzogtum nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges. In Wolfenbüttel starb er 46jährig nach einer fiebrigen Erkrankung am 18. Oktober 1655.
Die Rostocker christologischen Streitigkeiten zeigen einen kompromisslosen Vertreter lutherischer Orthodoxie, der eine spitzfindige Auseinandersetzung mit seinen Kollegen führte. Gleichzeitig galt Lütkemann den Pietisten als leuchtendes Vorbild in einer ansonsten „dunklen Zeit“, so gehörten seine Erbauungsbücher zu den Standardwerken in den Collegia pietatis. In Wolfenbüttel musste sich Lütkemann mit der die Landeskirche dominierenden Irenik Calixts auseinandersetzen, im Konsistorium wurden seine Möglichkeiten durch die beginnende Kompetenzverlagerung auf andere Gremien und die Opposition des Kanzlers Schwartzkopff stark eingeschränkt.
Ziel des Teilprojektes ist es, zunächst eine bisher wenig beachtete Theologenpersönlichkeit in ihren biographischen Handlungsfeldern sowie deren historische Kontexte zwischen lutherischer Orthodoxie, Frühaufklärung, beginnender Säkularisierung und Pietismus zu erhellen. Vom Einzelfall ausgehend sollen darüber hinaus neue Erkenntnisse für die Erforschung der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts insonderheit in Hinblick auf den sogenannten Protopietismus gewonnen werden. Dabei sind auch Paradigmen der Konfessionalisierungsforschung zu überprüfen.